9.10., Kakadu NP-Ubirr

Wir schlafen wieder einmal ohne Wecker, die Vorhänge sind sehr dicht, also wachen wir erst um 8 Uhr auf. Kurz vor 0830 sind wir beim Frühstück, grad rechtzeitig, denn die machen um die Zeit normalerweise schon zu. Aber no worries (und das sagen die hier wirklich bei jeder Gelegenheit), we made it on time, also kein Stress. Um kurz nach 10 fahren wir los Richtung Osten, auf dem Kakadu Highway zur Ubirr-Felsformation, ca. 60 km entfernt. Dort gibt es sehr schöne, gut erhaltene und teils sehr alte Aboriginal-Felsmalereien. Kurz vor Mittag gehen wir vom dortigen Parkplatz den Rundweg an, die als leicht beschriebene Kletterpartie auf den Felsen für einen sensationellen Rundumblick nehmen wir uns auch vor und entsprechend viel Wasser mit.


Vorher am Highway kommen wir immer wieder an noch glosenden Waldbränden vorbei, einmal mit noch aus einem Baumstamm züngelnden Flammen. Meist ist die eine Seite abseits der Straße verbrannt, auf die andere schafft es das Feuer nur sehr selten aufgrund der doch recht breiten und sauberen Schneise, die für die Fahrbahn angelegt wurde. Die Buschfeuer werden regelmäßig gelegt, von den Rangern bzw. den Aboriginals auf deren Land. Das Gras würde dort sonst innerhalb einer Saison auf gut 2 Meter anwachsen, somit das Jagen unmöglich machen und viel zu viel trockenen Zunder bieten, wodurch dann beim nächsten Feuer alles außer Kontrolle geriete (hab ich das nicht eh schon mal geschrieben?). Aber es entzündet sich auch von selbst, vor allem jetzt gegen Ende der dry season.


In ca. einem Monat beginnt die Regenzeit, und da kommen oft sintflutartige Wassermassen runter. An vielen Stellen der Straße sind Messlatten angebracht, die dann die Wassertiefe anzeigen und die Entscheidung erleichtern, durchfurten oder umkehren. Viele der Straßen sind dann aber sowieso gesperrt, zumindest für Autos ohne Vierradantrieb (und fürs Furten braucht man dann immer noch einen Schnorchel, der die Luft für den Murl aus Höhe des Daches ansaugt. Man will ihn ja nicht mittendrin absaufen lassen, in the true sense of the meaning…).

Gleich bei den ersten Felsmalereien bleiben wir für eine Stunde picken. Ein Aboriginal-Ranger erzählt einem australisch/russischem Paar und uns viel Interessantes aus der Zeit seiner Vorfahren und der Gegenwart. Die vermutlich ältesten Zeichnungen wurden geologisch untersucht und auf 20.000 Jahre geschätzt. Klarerweise weit jüngere Malereien zeigen den weißen Mann (einmal mit Pfeife, einmal mit den Händen in den Hosentaschen) oder ein Gewehr.
Sonst sind viele Fische teilweise anatomisch recht genau dargestellt, oder Szenen aus dem täglichen Leben und der Mythologie. Was uns besonders fasziniert ist die Tatsache, dass die Farben in all den (tausenden) Jahren nicht verwittert sind. Hergestellt werden sie aus beigem und rotem Ocker (ochre?) und weißem Lehm, aufgetragen mit Pinseln, die aus den Halmen von z.B. Palmblättern durch einfaches Aufbeißen der unteren Enden hergestellt wurden (der Ranger demonstriert uns das gleich).

Wir sprechen auch über die miserable Behandlung der Aboriginals bis in die jüngere Vergangenheit. Der Mann aus Adelaide ist diesbezüglich sehr klar und meint, dass die erst vor relativ kurzer Zeit angelaufenen Wiedergutmachungsmaßnahmen in Wahrheit nur ein Ansatz, aber keine Lösung der Probleme seien. Die einzigen Aboriginals, die selbstbestimmt leben dürfen, sind die Bewohner des nahen Arnhem-Landes, woher auch der Ranger stammt. Alle anderen leben mehr oder weniger ausgegrenzt und von staatlicher Unterstützung, mit all den logischerweise resultierenden sozialen und psychischen Problemen wie Verlust der Identität und des Selbstwertgefühls. Und gesundheitlichen Problemen wie Alkoholismus, aber auch einer im Vergleich zur
weißen Bevölkerung deutlich höheren Rate an Diabetes und Nierenproblemen aufgrund der für sie ungewohnten Ernährung (die ja eigentlich auch für die Weißen nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Aber so viele fette Leute wie in den USA haben wir bisher nicht annähernd gesehen). Aber es gibt keine einheitliche gesamtaustralische Herangehensweise an das Problem, jeder Bundesstaat regelt das für sich und anders. Die Diskrepanz zu den mit den Weißen völlig gleichberechtigten Maori in Neuseeland ist evident, die Parallelen zur Behandlung der Indianer durch den weißen Mann in den USA (und in vielen weiteren Gebieten der Erde) sind es leider ebenso.

Wir erfahren auch Triviales, so z.B. dass „Crocodile Dundee“ auch hier gedreht wurde, eine Szene spielt oben am Ausblickfelsen, auf den wir nachher gleich klettern werden. Und dass man Krokodilen bei einer Attacke am besten mit den Fingern in die Augen fahren sollte (eh klar, doof nur, wenn man die schon beim ersten Schnapper ab dem Schultergelenk verliert). Ich versichere der besten Reisebegleiterin ever, dass ich mir das merken würde, wenn ich in Zukunft aus dem Auto steige und mich mehr als zwei Meter davon entfernen will. Man ist beruhigt. Weiters, und damit sind wir schon eher im Naturkundeunterricht des Tages, dass sich die Cane Toad (also Zuckerrohrkröte) ausgehend von Queensland im Nordosten, wohin sie eingeschleppt wurde, praktisch übers ganze Land verbreitet hat, zumindest in den warmen und feuchten Gebieten.

Cane Toad

Auch in den Kimberleys im Westen gibt es sie schon. Das Mistvieh ist so giftig, dass sogar Krokodile den Löffel abgeben, wenn sie den Fehler begehen, es zu fressen. Viele Säugetiere und Reptilien sind so aus ganzen Landstrichen verschwunden, nicht nur durch das Fressen der Kröte selbst, sondern auch, weil die gleichzeitig den heimischen Tieren die Nahrung wegfrisst. Eine echte Landplage, gegen die es noch kein Mittel gibt. Aber die Natur lernt: es gibt laut dem Ranger mittlerweile Vögel, die gelernt haben, dass sie die Kröte auf den Rücken werfen und dann vom Bauch ausgehend die Innereien fressen können (die Giftdrüsen sitzen an den Wangen). Später dann, am Rückweg vom Abendessen im Resort sehen wir eine junge Angestellte mit Stirnlampe, Plastikhandschuhen und schwarzem Müllsack die Sträucher hinter den Häusern absuchen.



Sie sammelt, wie ein paar andere Freiwillige auch (diese nach einer kleinen Einschulung) die Kröten. Ausbeute gestern über 300 Stück von neun Sammlern in zwei Stunden. Die Viecher kommen direkt in die Gefriertruhe, wo sie sanft entschlummern (von der Tierethikkommission genehmigt). Ist zwar ein mehr oder weniger sinnloses Unterfangen angesichts der Vermehrungsrate der Kröte, aber irgendwas muss man ja tun, zumindest auf lokaler Ebene, man kann ihnen ja nicht einfach beim Durch-die-Gegend-hopsen zuschauen und darauf warten, dass sich ein Tourist oder dessen Kind die Finger daran verbrennt. Und überhaupt, aufgeben gilt nicht!

Oben am Ubirr



Nach der Plauderei mit dem Ranger klettern wir noch den Felsen hinauf, der in der Tat einen sehr schönen Rundumblick über dutzende Kilometer ins Land hinein bietet. In der Nähe sehen wir den Sumpf, den ich beim Herfahren schon fotografiert hatte, mit Reihern und Pelikanen, und wohl auch ein paar Krokodilen. In der Ferne zeugen mehrere Rauchsäulen von Buschbränden. Das alles in der Mittagshitze, schon anstrengend und schweißtreibend. Generell geht ohne Klimaanlage hier gar nix. Weder im Auto, noch im Hotelzimmer. Unmöglich. Vorher beim Abendessen sitzen wir draußen überdacht, die Ventilatoren über uns brummen auf Hochtouren, aber dennoch treibt es uns den Schweiß waagrecht aus den Poren (ok, das war jetzt ein bisserl übertrieben).

Grandiose Gesteinsformationen

In Jabiru, der „Hauptstadt“ des Nationalparks, in Wahrheit aber einem Kaff letzter Güte, kriegen wir zumindest eine ganz gute Strawberry-Cheesecake und ich einen „long black“ gegen die aufkeimende Müdigkeit. Eine knappe Stunde ist es noch zu fahren bis zur Gagudju Lodge Cooinda, wo morgen um 0645 die Yellow Water Cruise losgeht. Soll sehr schön sein, insbesondere am frühen Morgen, und ich bin froh, dass ich sie von heute Nachmittag umbuchen konnte. Und wir wissen jetzt auch, was wir gegen eine Kroko-Attacke machen können! Man darf also zuversichtlich sein, dass es auch morgen einen Post geben wird.

Heute sehe ich auch mein erstes Känguru ganz aus der Nähe! Aufregend! Es ist warm und zart und liegt auf einem weichen Bett aus Erdäpfel-Ahornpüree mit Chili-Zwetschkensauce. Medium, fettfrei und sehr aromatisch, intensiv schmeckend.

Sorry, zu spät dran gedacht...

Ich würd sagen, zwischen Rind und Wild. War sicher nicht mein letztes. Nächstes Mal dann ein bisserl weniger durch. Dazu ein „Schooner“ (ein Glas irgendwo zwischen Seidl und Krügel) australischer Hopfenkaltschale. 


Jetzt ist es kurz vor neun, schon lange zappenduster, Internet gibt’s keins (gestern hatten wir Verbindung übern Satelliten, hier sind sie offenbar noch nicht so weit, wurscht, muss die Welt halt einen Tag (?) länger warten auf diesen Post. 

Webalbum

1 Kommentar:

  1. das war einer der spannendsten einträge! wenn man sich überlegt, wie viel zerstörung und unterdrückung die eroberung "des weißen mannes" der welt mit sich gebracht hat und weiterhin bringt, wird einem schlecht. was der globale süden den europäern an wissen und kultur voran war (siehe höhlenmalereien, das unglaubliche wissen der aborigines zur pflanzlichen heilkunde bzw. dem respektvollen umgang mit und überleben in der natur), kann der westen nicht einmal ansatzweise aufweisen bzw. nachholen. bzw. eben seine zerstörung wiedergutmachen. aber da braucht man wie gesagt nicht nur nach australien schauen. wirklich eine schande, dass eine offizielle, nationale entschuldigung erst 2008 erfolgte. und dann offensichtlich auch nur an der oberfläche kratzt.

    spannend, dass ihr mit den leuten so offen reden könnt! wunderschöne bilder! und beste reisebegleiterin ever :-) bitte einen nahkampf mit krokodilen trotzdem wenn möglich vermeiden. ich brauch eh keinen zahn-anhänger für meine halskette.

    AntwortenLöschen